Installation mit Häftlingsuniform des Gründers des ANDEREN Heimatmuseums Aramis, 2010
das ANDERE heimatmuseum
© Schloss Lind, das ANDERE heimatmuseum
Da in den Räumlichkeiten des ehemaligen Außenlagers des Konzentrationslagers Mauthausen in Schloss Lind bei Neumarkt keinerlei Objekte von Gefangenen vorhanden waren, als der Künstler Aramis (1950–2010) – angeregt durch den Besuch des ehemaligen Häftlings Tadeusz Korczak (geb. 1922) – daran ging, eine Gedenkstätte der besonderen Art aufzubauen, entwickelte er die Idee assoziativer Installationen. Groß geworden im Umfeld von Elfriede Jelinek, Nitsch und Günther Nenning lehnte er rein dekorative Kunst ab und hatte nach einer Odyssee durch mehrere Landkommunen in den Neunzigerjahren in Schloss Lind endlich seinen Weg als Künstler gefunden. Über Fundstücke aus dem bäuerlich-katholischen Kontext und der agrarisch geprägten Natur, die er durch Assemblagen, Collagen oder serielle Setzung zu Kunstwerken gruppierte, wollte er tiefere Gefühlsregungen provozieren, als es eine rein wissenschaftliche Dokumentation vermocht hätte. In der Installation im Dachbodengeschoß baut sich um eine Häftlingskleidung (eine Schenkung einer nicht mehr eruierbaren Besucherin; die Uniform stammt nicht aus Schloss Lind) eine rituelle Szene auf, die eine Art Altar in einem pastoralen Setting andeutet. Verstörend wirken dabei das blutige Messgewand in Kombination mit der KZ-Uniform und einem Stacheldrahtkranz.
Im Schloss Lind bestand von Juni 1942 bis Mai 1945 ein KZ-Außenlager. Es beherbergte neben 20 bis 30 politischen KZ-Häftlingen auch noch rund 50 sowjetische und französische Zwangsarbeiter. Im KZ-System stellt es eine scheinbar vernachlässigbare Größe dar. Dies galt allerdings nicht für jene Häftlinge, die an diesem Ort während dreier langer Jahre Tag für Tag einem ungewissen Schicksal entgegensahen. Auch in diesem kleinen, etwas abgelegenen Schloss offenbarte die nationalsozialistische Herrschaftspraxis ihren Charakter.
Durch die NS-Zeit traumatisierte Orte wie dieser haben ein sehr spezielles Gedächtnis. Das zu aktivieren ist ein Prozess, der sich nie abschließen lässt und nur durch kontinuierliches Bemühen am Leben erhalten werden kann. Die Art und Weise, wie das zu bewerkstelligen ist, kann nur in einem permanenten Diskurs geklärt werden: Gedenkstätten setzen Bewegung voraus.
Damit Schloss Lind auch weiterhin ein Ort gegen Verdrängung und Vergessen bleibt, haben sich Britta Sievers und der Autor und Kurator Andreas Staudinger, die nach Aramis’ Tod 2011 das ANDERE heimatmuseum übernommen haben, entschlossen, den Ausstellungs- und Veranstaltungsbetrieb in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Kurator*innen, Künstler*innen, Wissenschafter*innen, Festivals und Vereinen, etwa mit dem steirischen herbst, der regionale, der transformale oder dem Mauthausen Komitee, weiterzuführen. Nicht ein*e einzelne*r Künstler*in prägt seither das Museum, sondern wechselnde Ausstellungen mit unterschiedlichsten künstlerisch-wissenschaftlichen Positionen von Erinnerungskultur charakterisieren das über 2.000 Quadratmeter große Ausstellungsareal. Als Leitsystem für Besucher*innen durch das Renaissanceschloss dient die von Uli Vonbank-Schedler und Werner Koroschitz 2014 konzipierte Dauerausstellung das eigene & das fremde, in der anhand von einzelnen Objekten die Sozialgeschichte der KZ-Häftlinge beleuchtet wird.
Andreas Staudinger