Grabstele des Aelius Quartinus, cornicularius der legio II Italica, für sich und seine Familie
ausgegraben bei Grabungen der SS in der Ruine Spilberg, 1942
Erste Hälfte 3. Jahrhundert n. Chr.
Ennser Konglomerat, 233 x 88 x 27,5 cm
Museum Lauriacum, R X 176
Foto: F. und O. Harl, Ubi Erat Lupa
Die lateinische Inschrift dieser Grabstele lautet:
D(is) M(anibus) / Ael(ius) Quartinus / corn(icularius) leg(ionis) II Ital(icae) / p(iae) f(idelis) vivus fecit sibi / et Aur(eliae) Crispinae / coniug(i) vivae fecit / et Ael(iae) Quar(tinae) fil(iae) o(bitae) an(norum) / XIIII et fili(i)s duobus / vivis fecit.
In deutscher Übersetzung bedeutet dies: Den Totengeistern! Aelius Quartinus, cornicularius der legio II Italica, der pflichtbewussten und getreuen, hat (die Grabstele) zu Lebzeiten für sich und Aurelia Crispina, seine noch lebende Frau, und für Aelia Quartina, seine mit vierzehn Jahren verstorbene Tochter, und für seine beiden noch lebenden Söhne errichten lassen.
Im oberen Teil der Grabstele des Aelius Quartinus, dem Porträtfeld, flankieren die Eltern ihre verstorbene Tochter, deren Tod der Anlass für die Aufstellung der Stele gewesen ist. Davor befinden sich die zwei Knaben. Die Tochter hält eine Taube, die Söhne haben einen Hasen bzw. einen größeren Vogel in ihren Händen. Der Vater, Aelius Quartinus, war ein ranghoher Unteroffizier der in Lauriacum, dem heutigen Enns, stationierten 2. Italischen Legion und wahrscheinlich Leiter der Schreibstube des Legionskommandanten.
Die antiken Denkmäler brachte man zu einem unbekannten Zeitpunkt von ihrem tatsächlichen Fundort Enns in die Burgruine Spilberg (auch Spielberg geschrieben), wo sie im Eingangsbereich der Kapelle eine neue Verwendung als Schwellensteine fanden.
Von Herbst 1940 bis Frühjahr 1942 führte die SS in der Ruine Spilberg verschiedene Erhaltungs- und Sicherungsarbeiten sowie archäologische Grabungen durch. Zu diesen waren auch Häftlinge des KZ Gusen zur Zwangsarbeit eingeteilt. Im Winter 1941/1942 entdeckte man die Grabstele des Aelius Quartinus und eine zweite römische Grabinschrift aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. beim Eingang zur ehemaligen Burgkapelle.
Dr. Josef Schicker, der damalige Leiter des Museumvereines Lauriacum in Enns, berichtete in einem Brief vom 18. Februar 1943: Vom Konzentrationslager in St. Georgen a. d. Gusen aus wurden verschiedene Arbeiten in der Burgruine Spielberg gemacht unter Aufsicht des Gaukonservators und Dr. Stroh. Dabei wurden zwei Steine gefunden. Die Lagerleitungen haben den Auftrag, auf Kultur bedacht zu sein, das Lager hat unter Aufsicht eines polnischen Museumsdirektors auch ein kleines Museum eingerichtet und die zwei Steine derzeit in Verwahrung. Schicker führt weiter aus, dass Prof. Dr. Rudolf Egger (1882–1969) vom Archäologischen Institut in Wien bei einem Besuch – vermutlich in Enns – darauf hingewiesen habe, dass das Museum Lauriacum in Enns das zuständige Museum sei. Derzeit, so meint er, dürfte nicht viel Aussicht sein, dass die Lagerleitung die Steine hergibt …
Die beiden römischen Grabdenkmäler verblieben zunächst im KZ Gusen und wurden nach Kriegsende in die Ruine Spilberg gebracht und dort aufgestellt. Sie kamen 1983 auf Veranlassung der damaligen Grundbesitzer, dem Ehepaar Krassay aus Luftenberg, als Dauerleihgaben nach Enns ins Museum Lauriacum.
Reinhardt Harreither