Fotografie befreiter Häftlinge des KZ Loibl mit Partisan*innen, 1945
Fotografie befreiter Häftlinge des KZ Loibl mit Partisan*innen, 8. Mai 1945
kärnten.museum Klagenfurt, Sammlung Friends of Popski's Private Army (Sammlung Alain Lavigne)
Fotograf: unbekannter Soldat des No. 1 Demolition Squadron, Eight Army, British Army
Am 8. Mai 1945 traf eine Spezialeinheit der 8th British Army, das No. 1 Demolition Squadron unter dem Kommando von Major Vladimir Peniakoff, aus Tarvis kommend bei Feistritz im Rosental (Kärnten), unvermutet auf Häftlinge des Außenlagers des KZ Mauthausen am Loibl. Kurz zuvor hatte eine slowenische Partisaneneinheit die Häftlinge aus der Gewalt von SS-Männern befreit. Ein Soldat der Spezialeinheit, die als Popski’s Private Army bekannt wurde, hielt die Szenen fotografisch fest. Die Fotografie zeigt den Abmarsch einer Gruppe von befreiten Häftlingen Richtung Villach, mit dem französischen Widerstandskämpfer Louis Balsan (1911-1982) an der Spitze, als sie ein Ehrenspalier der Partisaneneinheit passiert.
Vladimir Peniakoff (1897-1951) schrieb in seinen 1951 erschienenen Kriegserinnerungen:
Wir begegneten einer Abteilung von dreihundert menschlichen Wesen: barfuß, in grau-weiß gestreifter Kleidung, mit geschorenen Köpfen, grauen Gesichtern und hervortretenden Knochen. Leichen in Viererreihen. Mühsam schleppten sie sich weiter und versuchten eine militärische Ordnung zu wahren. Aber sie wirkten wie ein Zug von Gespenstern. Als sie sich unserer Abteilung näherten, die ich hatte halten lassen, weil ich nicht begriff, was mir da entgegenkam, erhoben sie krächzende Stimmen. Es sollte ein Lied werden, aber es war kaum ein Flüstern, die Marseillaise – und doch nur ein Röcheln. Es waren französische politische Gefangene. Und das hatten ihre Wächter in einem Konzentrationslager aus ihnen gemacht. ‚Wenn das das wirkliche Deutschland ist‘, dachte ich, ‚dann haben wir noch lange Zeit zu tun, um es zu bessern.‘
Ein Teil der insgesamt etwa 650 überwiegend französischen und polnischen Häftlinge schloss sich den Partisan*innen an. Die Franzosen bildeten die Brigade Liberté; Polen und Sowjets die Brigade Stary. Sie übernahmen in der Volksschule von Feistritz die Bewachung der SS-Männer. Die Gruppe um Louis Balsan, in der sich erschöpfte und ältere ehemalige Häftlinge befanden und solche, die sich nicht den Partisan*innen anschließen wollten, gelangte am 9. Mai mit dem Zug von Rosenbach nach Villach, wo sie von der britischen Armee versorgt wurde.
Balsan und einige andere Franzosen unterstützten in den folgenden Wochen Fahnder der britischen Militärpolizei bei der Suche, Festnahme, Identifizierung und bei ersten Verhören von SS-Offizieren und Wachen des KZ Loibl. Darunter war auch der Lagerarzt Sigbert Ramsauer (1909-1991) aus Klagenfurt.
Balsan fertigte zudem ein erstes Dossier über die Gewalt der SS am Loibl an. Dort waren die Häftlinge, aufgeteilt auf die Lager Loibl Nord und Süd, zur Arbeit auf einer Tunnelbaustelle der Universale AG gezwungen worden. Balsans Dossier enthält unter anderem eine Liste von 32 ermordeten Häftlingen.
Die Aktivitäten der Häftlinge legten den Grundstein für die beiden britischen Prozesse zum Loibl-KZ im September 1947 in Klagenfurt. Das Gericht befand 12 der 14 angeklagten SS-Männer und Kapos wegen Gewaltverbrechen für schuldig. Der Lagerleiter Jakob Winkler (1892–1948 und der Kommandoführer Walter Brietzke (1913–1948) wurden zum Tod verurteilt und hingerichtet, Sigbert Ramsauer kam, trotz nachgewiesener Morde an Häftlingen, mit einer lebenslangen Haftstrafe davon. Er wurde 1954 aus der Haft entlassen und ordinierte bis 1991 als Arzt in Klagenfurt. Zum Leidwesen der Häftlinge, die als Zeugen beim Prozess auftraten, hatten die Briten Verantwortliche der „Universale AG“ nicht angeklagt.
Die Fotografie stammt aus einer Fotoserie, die fast 70 Jahre nach den Aufnahmen wieder entdeckt worden ist. Alain Lavigne, dessen Vater Jacques unter den Befreiten war, fand sie in der Sammlung der Veteranenorganisation Friends of Popski’s Private Army in London.
Peter Pirker