Archäologisches Fundstück aus der sogenannten „KZ Grabung Gusen", ca. 1300 - 1200 BCE

Archäologisches Fundstück aus der sogenannten KZ Grabung Gusen, ca. 1300 - 1200 BCE
Zentraleuropa, Bronze
Naturhistorisches Museum Wien, NHM_PA_74153

Das spätbronzezeitliche Gräberfeld von Gusen in Oberösterreich gilt in der Archäologie als ein wichtiger Baustein für unsere Rekonstruktion der urgeschichtlichen Kulturentwicklung in Oberösterreich. Die Ausgrabungen brachten außerdem Gräber aus der Jungsteinzeit, der Hallstattkultur und des Frühmittelalters zutage. In vielen Gräbern fanden sich herausragende Objekte, die auf den Reichtum dieser Bevölkerung hinweisen. Ein Beispiel ist die Bronzetasse, die als eine wichtige Leitform in der Spätbronzezeit gilt. Unter Leitformen versteht man in der Archäologie Gegenstände, die eine Kultur oder Zeitspanne kennzeichnen. Die archäologische Forschung benannte sie deshalb auch nach diesem Gräberfeld als „Tasse Typus Gusen“. 

 

Das Gräberfeld wurde zwischen 1941 und 1943 unter Rückgriff auf die Arbeitskraft von Häftlingen des KZ Gusen ausgegraben. Erst im April 1942 erhielt das Institut für Denkmalpflege in Wien (heute Bundesdenkmalamt) aufgrund einer Meldung von Universitätsprofessor Oswald Menghin (1888–1973) Kenntnis von den Ausgrabungen. Ab dieser Zeit überwachte das Institut für Denkmalpflege den Ablauf der Grabungen, indem es den Restaurator Josef Vockenhuber (1910–1950) und wiederholt Hertha Orel (1912–2009), die Kurt Willvonseder (1903–1968), den Leiter der Abteilung für Vor- und Frühgeschichte des Instituts für Denkmalpflege, während seiner Abwesenheit vertrat, nach Gusen schickte. Die KZ-Häftlinge führten die fachgerechte Dokumentation der Ausgrabungsbefunde durch, die in einem Kalender für das Jahr 1943 zusammengefasst wurden. Schon 1942 wurde ein Gedenkbuch mit einem von Oswald Menghin im Namen von Karl Chmielewski (1903–1991) verfassten Geleitwort, des damaligen Lagerleiters von Gusen angefertigt. Es enthielt Grabungsfotos und von den Häftlingen angefertigte Zeichnungen. Die Grabungsarbeiten in Gusen leiteten der archäologisch vorgebildete polnische Häftling Kazimierz Gelinek (1882–1969) sowie Władysław Gębik (1900–1986). Die Fundzeichnungen fertigte der Chemiker Józef Iwiński (1904–1990) an. Der Lehrer Tadeuz Murasiewicz (1909–1972) war ebenfalls federführend beteiligt. 

 

Die Stücke waren in der sogenannten Museumsbaracke am Gelände des Konzentrationslagers ausgestellt. Das Museum befand sich im Lagerkommando, im oberen Teil des sogenannten Jourhauses im Lager Gusen I. Mit der Leitung dieses Museums war bis zu seiner Ermordung 1944 der Priester Johannes Gruber beauftragt. 

 

Anfang der 1950er-Jahre gelangten die Fundstücke an das Naturhistorische Museum Wien, wo sie inventarisiert wurden und bis heute aufbewahrt werden. Die Stücke befinden sich im Depot der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums und dienen vor allem der archäologischen Forschung. Diese Abteilung zeigt exemplarisch prähistorische Funde aus dem Gebiet der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie und dem heutigen Österreich. Ein Fund wie die Bronzetasse vom Typus Gusen bedürfte neben der Darstellung seiner kulturhistorischen Bedeutung aufgrund der Umstände ihrer Auffindung auch einer zeithistorischen Darstellung, was aufgrund der Raumsituation in der Dauerausstellung des Museums derzeit nicht befriedigend gelöst werden kann. 

 

Karina Grömer, Walpurga Antl-Weiser, Vinzenz Kern 

Naturhistorisches Museum Wien

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