Fotografie des Eingangstors und Jourhauses des KZ Gusen, Winter 1941
Fotopapier, 6,1 x 8,9 cm
Privatbesitz, Schenkung Nordico 2021
Nordico Stadtmuseum Linz, Fotosammlung NA-066232/67
Fotograf*in unbekannt
Diese Fotografie des Eingangsbereichs des KZ Gusen aus dem Winter 1941/42 stammt aus einem dem Nordico Stadtmuseum Linz als Schenkung überlassenen Fotoalbum von J. M., der als Angehöriger der SS-Wachmannschaft seinen Dienst unter anderem in Gusen verrichtete. Auf dem ledernen Einband des Albums sind silbern geprägt Sigrunen der SS und die Aufschrift Erinnerungen an meine Dienstzeit zu sehen. Insgesamt enthält das Album 119 Fotografien, beginnend mit 1938, die den Alltag und die Freizeitaktivitäten von J. M. und seinen Kameraden, nie aber die Vorgänge im Lager selbst ablichten. Häftlinge sind nirgendwo abgebildet. Mehr als die Hälfte der Aufnahmen ist rückseitig beschriftet, einige Leerstellen dazwischen lassen auf entfernte Fotografien schließen. Der Autor der Fotografien ist nicht bekannt.
Trotz seiner Verortung im Hintergrund ist das zentrale Bildmotiv das 1941 gebaute sogenannte Jourhaus. Dieses beherbergte neben der SS-Lagerführung und Verwaltung auch das Lagergefängnis, in welchem Häftlinge systematisch gefoltert und ermordet wurden. Das große Tor in der Mitte des Jourhauses war der Haupteingang zum eigentlichen Lager. Es markierte für die Gefangenen gleichermaßen den potenziellen Weg in die Freiheit wie auch die Aussichtslosigkeit, diese jemals wieder zu erlangen. Das Jourhaus war wie die übrigen Lagerbauten Ergebnis der nationalsozialistischen Ausbeutungspolitik, an deren Ende häufig der Tod stand („Vernichtung durch Arbeit“). Heute ist es als Wohnhaus in Privatbesitz und Teil einer Einfamilienhaussiedlung auf dem Gelände des ehemaligen KZ.
Der Bildvordergrund wird von den beiden Wachhäuschen geprägt. Vor dem linken steht ein Wachmann in langem Wintermantel und einem Stahlhelm mit SS-Runen, den Karabiner über die rechte Schulter gehängt. Von einem weiteren Wachmann ist nur ein Teil zu sehen, dieser hält offenbar ein Schriftstück in der Hand. Darüber hinaus sind keine weiteren Personen auf dem Bild zu sehen. Ob es sich bei einem der beiden Wachmänner oder dem Fotografen um J. M. handelt, ist nicht festzustellen.
Hinter dem Eingang, der mit einer Schranke versehen ist, befindet sich beidseitig die heute noch existierende Lagermauer, sowie links eine Baracke, in der vermutlich ebenfalls Teile der Verwaltung untergebracht waren.
Auf den steinernen Eingangssäulen stehen links und rechts je ein Reichsadler mit Hakenkreuz, beide blicken einander an. Hinter dem Jourhaus erhebt sich der Frankenberg. Die Gebäude und die Landschaft selbst sind schneebedeckt, der Fotograf hat das Bild von der Straße aus aufgenommen, die am Lager vorbeilief. Dazwischen, im Bild nicht sichtbar, das eigentliche Häftlingslager und der Steinbruch. Auf dem Areal links hinter dem Jourhaus – im Bild von der Verwaltungsbaracke verdeckt – wurde ab Herbst 1942 ein „Häftlingsbordell“ eingerichtet, dessen Besuch die SS privilegierten männlichen Lagerinsassen gestattete. Für die Sex-Zwangsarbeit im Häftlingsbordell wurden jeweils zehn weibliche Häftlinge des KZ Ravensbrück zwangsprostituiert. Auch dieses Gebäude wird heute als Wohnhaus genutzt.
Clarissa Uyvari Hanten, Sebastian Piringer