Puppenküche, angefertigt von einem ehemaligen Häftling im KZ Gusen I, 1941/42
Holz, Papier, Filz, Glas, 70 x 46,5 x 31,5 cm, in Handarbeit hergestellt,
Heimathaus St. Georgen an der Gusen, 178/07, Schenkung von Anna Maria Klinger, St. Georgen an der Gusen
Foto: Erhard Wansch
Diese Puppenküche wurde 1941 oder 1942 von einem Häftling des KZ Gusen I für die Familie eines damals in St. Georgen an der Gusen wohnhaften SS-Offiziers angefertigt. Es handelt sich um eine einfach gestaltete Puppenstube, bestehend aus einer Grundplatte sowie drei Seitenwänden aus Holz, möbliert mit einem Tisch, drei Stühlen, einer Eckbank, einer Liege, einer Kredenz und einer Anrichte, alle ebenfalls aus Holz gefertigt, grün lackiert und zum Teil mit aufgemaltem Blumen- und Bänderdekor verziert. Zwei Wände weisen je ein Fenster mit eingesetztem Glas auf, alle drei Wände sind innenseitig mit einer Papiertapete mit Blumenmuster beklebt. Der Fußboden hat einen ockerfarbenen Filzbelag.
Einige Tage vor der Befreiung der Konzentrationslager Mauthausen und Gusen Anfang Mai 1945 setzte sich das SS-Wachpersonal wegen der anrückenden US-Einheiten aus dieser Gegend fluchtartig ab. Die Puppenküche blieb in dem St. Georgener Privathaus, welches 1940 für die Unterbringung einer SS-Offiziersfamilie zwangsrequiriert worden war, nebst anderen Gegenständen zurück.
Die Puppenküche kam in den Besitz des seinerzeitigen Gemeindesekretärs von St. Georgen Rudolf Übleis, der sie seiner damals sechsjährigen Tochter Anna Maria zum Spielen überließ. Annamirl, wie das Kind im Ort allgemein gerufen wurde, erfuhr erst als Jugendliche von der Herkunft ihrer Puppenküche.
Ab den 1970er-Jahren errichtete und bewohnte Anna Maria, mittlerweile verehelichte Klinger, mit ihrem Gatten ein Eigenheim in St. Georgen, und zwar unweit der Überreste des während der NS-Zeit unter unmenschlichen Bedingungen von KZ-Häftlingen errichteten Stollensystems Bergkristall. Die Puppenküche wurde über die Jahrzehnte am Dachboden des Eigenheimes der Familie Klinger aufbewahrt.
Im Jahr 2005 stellte Frau Klinger die Puppenküche dem Heimatverein St. Georgen für eine Ausstellung zum Thema Kriegsende und Nachkriegszeit in St. Georgen leihweise zur Verfügung. Zwei Jahre später wurde die Puppenküche dem Heimatverein übereignet und ist seither, versehen mit einem Hinweis auf ihre Herkunft, im Heimathaus Sankt Georgen ausgestellt.
Anna Maria Klinger ist 2024 verstorben.
Erhard Wansch