Zahnbürste (archäologischer Fund), Gunskirchen 2010

Zahnbürste, (archäologischer Fund) Gunskirchen, 2010
Kunststoff, 13,1 x 1,1 x 0,4 cm
KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Inventarnr. OS1260 
Foto: Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie

Zahnbürsten werden bei archäologischen Untersuchungen in ehemaligen Konzentrationslagern regelmäßig gefunden. Sie könne Hinweise zur Herkunft der Gefangenen oder auch deren Überlebensbedingungen und Überlebensstrategien geben. Diese Zahnbürste fand sich 2010 bei Begehungen im Lagerareal des nur von 27. Dezember 1944 bis 4. Mai 1945 betriebenen KZ Gunskirchen bei Wels.

 

Die weiße Zahnbürste ist insgesamt nur 13 Zentimeter lang. Auf dem Stiel befindet sich eine ungarische Beschriftung, die belegt, dass die Zahnbürste in Ungarn hergestellt wurde: MAGYAR GYÁRTMÁNYY / Tip-Top / TÖRV. VÉDVE (Ungarisches Fabrikat Tip-Top, gesetzlich geschützt). Es liegt nahe, dass die Zahnbürste mit einem Gefangentransport aus Ungarn zunächst nach Mauthausen und dann im Rahmen eines Todesmarsches nach Gunskirchen gelangt ist. Aufgrund der Größe der Zahnbürste könnte diese einem Kind gehört haben; Zahnbürsten für Erwachsene haben eine Länge von rund 17–20 Zentimetern. Somit verdeutlicht die Zahnbürste auch, dass zahlreiche Kinder zu den Opfern des nationalsozialistischen Terrors gehörten. Weitere archäologische Hinweise auf Kinder als Opfer geben beispielsweise Stoffpuppen, seien es Kasperle- oder Mädchenfiguren, die offensichtlich handgenäht sind. Die Puppen sind sehr sorgfältig und akkurat aus Stoffresten hergestellt, sie weisen Gürtel und Knöpfe auf, Augen, Haare, Nasenlöcher und Mund sind mit verschiedenfarbigen Fäden angenäht. Sowohl die Zahnbürsten als auch die Puppen sind Zeichen von Überlebensstrategien und der Fürsorge der erwachsenen Gefangenen für die Kinder. Die Puppen wurden offensichtlich für Kinder in der Gefangenschaft genäht, damit diese zumindest eine kleine und kurze Möglichkeit durch Kleine-Welt-Spiele der Realität der Gefangenschaft zu entfliehen.

 

Zahnbürsten, und auch andere Gegenstände wie Kämme sind ein Zeichen für den Versuch der Häftlinge, zumindest einen Minimalstandard an Hygiene aufrecht zu erhalten. Mit Wasser konnte man sich ein wenig waschen, die Zahnbürsten erlaubten das Reinigen der Zähne, Kämme dienten der Haarpflege. Die Wahrung solcher Grundbedürfnisse ist eng mit einem körperlichen Wohlbefinden und folglich einem Lebenswillen verbunden.

 

Claudia Theune

Universität Wien | Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie

Zurück zur Ausstellung