Inskriptionsblatt (Nationale) des späteren Lagerarztes von Mauthausen Aribert Heim, Wintersemester 1938/39.
Archiv der Universität Wien, Medizinische Fakultät
Mittels des Inskriptionsblatts – das sogenannte Nationale – mussten sich Studierende der Universität Wien zu Beginn jedes Semesters an der jeweiligen Fakultät einschreiben und Lehrveranstaltungen belegen. Mit diesem Formular erhob die Universität die Stammdaten aller Hörer*innen. Die Nationale zählen damit zu den wichtigsten Quellen für die Geschichte der Studierenden im 19. und 20. Jahrhundert.
Aribert Heim, geboren am 28. Juni 1914 in Radkersburg, legte die Reifeprüfung an der Realschule des katholischen Marieninstituts in Graz ab. Ab 1931 war er an der Universität Wien inskribiert und absolvierte zunächst die Latein-Ergänzungsprüfung, um 1933 das Medizinstudium zu beginnen.
Unter den Angehörigen der Universität Wien war antisemitisches und deutschnationales Gedankengut bereits vor der Machtübernahme des Nationalsozialismus in Österreich weit verbreitet. Seit den 1920er-Jahren kam es zu zahlreichen gewalttätigen Attacken deutschnationaler und nationalsozialistischer Studierender gegen jüdische und sozialistische Kolleg*innen. Einige Universitätsprofessoren traten bereits vor 1938 der zu dieser Zeit in Österreich illegalen NSDAP bei, darunter Eduard Pernkopf (Anatomie), Hans Eppinger (Innere Medizin) oder Franz Hamburger (Kinderheilkunde), bei denen auch Aribert Heim Lehrveranstaltungen besuchte.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 fand an der Universität Wien die größte rassistische und politische „Säuberung“ einer Hochschule im deutschsprachigen Raum statt. Etwa 350 Professor*innen und Dozent*innen sowie über 2.200 Studierende wurden von der Universität ausgeschlossen.
Aribert Heim war bereits 1935 in die illegale NSDAP und die SA eingetreten. Nach dem „Anschluss“ wurde er reguläres Mitglied der NSDAP und der SS. Im Sommer 1938 trat er aus der katholischen Kirche aus. Als Heim im Herbst 1938 für sein letztes Studiensemester inskribierte, war seine Gesinnung auch in dem Nationale ablesbar. Im Feld für Religionszugehörigkeit trug er erstmals gottgläubig ein. Diese Bezeichnung wählten viele gläubige Nationalsozialisten, die aus den Religionsgemeinschaften ausgetreten waren.
Am 26. Jänner 1940 promovierte Heim zum Doktor der Medizin. Damit erfolgte auch seine Zulassung zum Arztberuf. Im April 1940 meldete sich Heim freiwillig zur Waffen-SS und begann im April 1941 seine Tätigkeit für die Inspektion der Konzentrationslager. Für wenige Wochen wurde er zunächst als Lagerarzt im KZ Sachsenhausen, dann im Juni und Juli 1941 im KZ Buchenwald eingesetzt. Im September oder Oktober 1941 wechselte er in das KZ Mauthausen. Laut Zeugenaussagen tötete Heim in den rund zwei Monaten, die er in Mauthausen stationiert war, hunderte Häftlinge. So beteiligte er sich – gemeinsam mit dem Lagerapotheker Erich Wasicky, der sein Pharmaziestudium ebenfalls an der Universität Wien absolviert hatte – an der Praxis des „Totspritzens“ durch Giftinjektionen ins Herz. Zudem sind insgesamt 263 Operationen an KZ-Häftlingen, die Heim durchführte, schriftlich dokumentiert.
Aribert Heim war ab 1942 als Arzt der Waffen-SS nahe der Front im Einsatz. 1945 wurde er von der U.S. Army in Kriegsgefangenschaft genommen, jedoch bereits 1947 entlassen. Da Heim seine Mitgliedschaften in NSDAP und SS sowie seine Tätigkeit in den Konzentrationslagern verschwieg, wurde sein Entnazifizierungsverfahren eingestellt. In den Folgejahren lebte er unbehelligt in Deutschland, gründete eine Familie und war als Arzt tätig. Nach zahlreichen belastenden Aussagen ehemaliger Häftlinge wurde 1962 ein internationaler Haftbefehl erlassen. Heim konnte der Verhaftung jedoch entgehen und tauchte unter. Das Simon-Wiesenthal-Center Jerusalem führte Heim ab 2008 als meistgesuchten NS-Verbrecher. 2009 wurde bekannt, dass Aribert Heim seit 1963 in Ägypten gelebt hatte und 1992 in Kairo verstorben war.
Katharina Kniefacz