Fotografie „Urnen mit Asche aus österreichischen Konzentrationslagern", 1948

Fotografie von Urnen mit Asche aus österreichischen Konzentrationslagern, 1948
18 x 24 cm
Simon Wiesenthal Archiv (Eigentümer BJVN), SWA, V.II.47-49.K.7
Fotograf*in unbekannt

Im Archiv des Wiener Wiesenthal Instituts für Holocaust-Studien (VWI) wird der Nachlass des Holocaust-Überlebenden Simon Wiesenthal (1908–2005) verwahrt. Darin befindet sich eine Fotografie, die die Betrachter*innen in die Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zurückversetzt. Dieses Foto steht für eine andere Seite der Tätigkeit Wiesenthals, der als „Nazijäger“ Berühmtheit erlangte: Seinen Einsatz für die Erinnerung und das Gedenken an die Opfer der Shoah. Die Fotografie entstand 1948 und zeigt einen etwa 1,5 Meter langen Glaskasten, einen „Sarg“, mit 30 blau-weiß gestreiften Porzellanurnen. Diese Urnen enthielten die Asche der Ermordeten aus dem KZ Mauthausen und dessen Außenlagern. Die Asche wurde auf Initiative von Wiesenthal gesammelt und sollte in Israel feierlich bestattet werden. Tom Segev schrieb über die Initiative: Noch nie waren in einem Grab die sterblichen Überreste so vieler Menschen beigesetzt worden. Für Wiesenthal blickten durch diesen Sarg […] meine Freunde aus dem Ghetto zu mir herab, aus dem Konzentrationslager, die zu Tode gepeitscht oder in den elektrischen Stacheldraht gejagt wurden; ich sah, wie sie in die Gaskammer abgeführt wurden, ich sah sie um ihr nacktes Leben flehen.

 

Für die Aufbahrung der Asche plante Wiesenthal, der vor dem Krieg als Architekt gearbeitet hatte, ein großes Mausoleum zum Gedenken an die im Holocaust ermordeten Jüdinnen und Juden zu errichten. Skizzen, die er zu diesem Zweck anfertigte und vor seiner Reise nach Israel an Unterstützer*innen und jüdische Organisationen im In- und Ausland verschickte, zeigen eine mit Marmor gepflasterte Plattform, gekrönt von zwei bedrohlichen Türmen, die den Toren des Lagers Mauthausen nachempfunden sind, sowie eine runde Gedenkhalle mit einer steinernen Kuppel. Das Mausoleum sollte in einem Wald außerhalb Jerusalems errichtet und die gesammelte Asche sollte später dorthin überführt werden.

 

Obwohl Wiesenthal Kontakt zu israelischen Politikern und Organisationen hatte, die sich zwar überwiegend interessiert zeigten, die Angelegenheit aber aus politischen und finanziellen Gründen hinauszögerten, wurde das Vorhaben nie in seinem Sinne umgesetzt.

 

Auf eigene Faust setzte er sich im Frühsommer 1949 mit der Asche in ein Flugzeug nach Israel. Die daraufhin in kürzester Zeit organisierte Prozession begann am 26. Juni 1949 in Tel Aviv und ging durch die Straßen der Stadt, die von tausenden Israelis gesäumt waren, die kollektiv trauerten. Beim Trauerzug durch Jerusalem waren die Reaktionen der Bevölkerung vergleichbar. Anschließend wurde die Asche der Ermordeten auf dem Friedhof von Sanhedria beigesetzt.

 

Als Wiesenthal nach Israel kam, herrschte dort noch weitgehendes Schweigen über den Holocaust. Der Blick war nach vorne gerichtet. Mit der Überführung der Asche der Ermordeten forderte Wiesenthal die israelische Gesellschaft auf, sich dem Holocaust zu stellen. 

 

 

Teresa Preis, Philipp Rohrbach, Sandra B. Weiss

Wiesenthal in Linz

Wiener Wiesenthal Institut

Postkarte

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