Presslufthammer aus einem Stollen des Projekts Quarz, Roggendorf, 1940er-Jahre
Leihgabe von ARGE Quarz B9 Roggendorf, 67 x 20 x 6 cm
Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich
Foto: Andreas Giesswein
Mit der erfolgreichen Landung der Alliierten in Italien im Sommer 1943 gerieten die österreichischen Gebiete des Deutschen Reiches in Reichweite ihrer Langstreckenbomber. Folglich setzten hektische Aktivitäten ein, um Betriebe der Rüstungsindustrie zu dezentralisieren und deren Fabriken in unterirdische Produktionsräume zu verlagern.
Die Steyr-Daimler-Puch AG (SDPAG) stellte Waffen und Fahrzeuge für die deutsche Kriegsmaschinerie her. Sie war im Deutschen Reich der drittgrößte Produzent von Wälz- und Kugellagern, die für die Fertigung von Panzern und Kampfflugzeugen unerlässlich waren. Die Konzernleitung begab sich ab Herbst 1943 auf die Suche nach einem geeigneten Ort für die Untertageverlagerung dieser Produktionssparte. Die Entscheidung fiel auf den 60 Meter hohe Wachberg, südöstlich von Melk in Niederösterreich. Nahe des kleinen Ortes Roggendorf sollte unter dem Decknamen Projekt Quarz eine riesige Stollenanlage in den Berg getrieben werden. Eine Fabrik mit 65.000 Quadratmetern Fläche und einem unterirdischen Verladebahnhof wurde geplant, in der über 7.000 Menschen Kugellager und Flugmotoren fertigen sollten.
Die Arbeiten zur Errichtung der Stollenanlage begannen im April 1944 und wurden von KZ-Häftlingen ausgeführt, die – wie auch an anderen Produktionsstandorten – von der SDPAG zur Zwangsarbeit herangezogen wurden. Die Häftlinge wurden von der SS „vermietet“; die beauftragten Baufirmen hatten je Häftling einen Tagsatz zu bezahlen. Dieser lag bei rund der Hälfte des Verdienstes eines Zivilarbeiters, wurde jedoch wegen „Minderleistung“ der Zwangsarbeiter meist nicht in voller Höhe verrechnet. Die Organisation des Projekts und des Zwangsarbeitereinsatzes oblag der SDP, die dafür eigens die Tarnfirma Quarz GesmbH gründete.
Im nahe gelegenen Melk richtete die SS ein Konzentrationslager als Außenlager des KZ Mauthausen ein. Von dort aus wurden die Häftlinge per Bahn zur Baustelle transportiert. Sie mussten im Akkordbetrieb bis zu acht Meter hohe und neun Meter breite Stollen in den Sandstein treiben. Der gefährliche und kräftezehrende Vortrieb erfolgte mit Presslufthämmern, die durch ein Rohr- und Schlauchsystem mit einer Kompressoranlage außerhalb der Stollen verbunden waren. Das Aushubmaterial wurde mit Förderbändern und Rollwagen ins Freie geschafft. Oberste Priorität hatte der Baufortschritt; auf die Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter wurde keinerlei Rücksicht genommen. Als die Arbeiten im März 1945 aufgrund des Herannahens der Roten Armee eingestellt wurden, waren rund zwölf Prozent der geplanten unterirdischen Fabrik fertiggestellt und einige Tausend Kugellager produziert worden. Den Preis für dieses wirtschaftlich sinnlose Unternehmen zahlten die Häftlinge: Durch harte körperliche Arbeit, Unfälle, schlechte Ernährung, menschenunwürdige Lebensumstände und Misshandlungen durch Wachpersonal und Kapos kamen etwa 5.000 Menschen zu Tode.
Der hier gezeigte Presslufthammer wurde von der ARGE Quarz B9 Roggendorf in den Überresten der Stollenanlage gefunden und gemeinsam mit weiteren Fundstücken dem Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Seit der Einrichtung des Museums 2017 sind die Objekte im zeithistorischen Teil seiner Hauptausstellung zu sehen. Dort verdeutlichen sie den Zusammenhang zwischen Konzentrationslagern und dem massenhaften Einsatz von Zwangsarbeiter:innen und verweisen auf die Rolle österreichischer Unternehmen in der NS-Rüstungsindustrie.
Benedikt Vogl