Oral History Interview mit Vera Tal, 2021

Fotografie von Vera Tal als Kind mit Mutter und Bruder, 1947
Fotograf*in unbekannt
 

Im Archiv der Österreichischen Mediathek finden sich zahlreiche akustische und visuelle Lebenserinnerungen von Opfern des Nationalsozialismus. Mit dem Verschwinden der letzten Zeitzeug*innen, fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, verlagert sich der Fokus der Oral History mehr und mehr auf deren Nachkommen. Dabei zeigt sich, wie sehr sich die traumatischen Erfahrungen der nationalsozialistischen Verfolgung auch in die Biografien der nachfolgenden Generationen eingeschrieben haben. Interviews, wie jenes mit Vera Tal, machen deutlich, wie wichtig es ist, auch die Erfahrungen und Lebenserinnerungen der zweiten und dritten Generation von Nachkommen der NS-Opfer zu dokumentieren und sich mit transgenerationalen Traumatisierungen auseinanderzusetzen.

 

Vera Tal ist die 1946 in Wien geborene Tochter von Herta und Ludwig Soswinski, die beide mehrere Konzentrationslager überlebt und sich im KZ Auschwitz-Birkenau kennen gelernt haben. In der Nachkriegszeit engagierte sich Ludwig Soswinski in verschiedenen NS-Opferverbänden. Er war unter anderem Obmann der Lagergemeinschaft Mauthausen und Mitbegründer des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes.

 

Vera Tal wuchs daher in einem Umfeld auf, in dem der Holocaust und das Gedenken an ihn ständig präsent waren. Eine besondere Rolle nimmt in ihren Kindheitserinnerungen die KZ-Gedenkstätte Mauthausen ein, die sie im Interview aufgrund der zahlreichen nachkriegszeitlichen Besuche dort, als das Wochenendhäuschen der Familie beschreibt. Dabei zeichnet sie ein ungewöhnliches Bild des Gedenkortes, welcher für sie mehr einem fröhlichen Kinderspielplatz als einem öffentlichen Denkmal des Schreckens und der Vernichtung glich. Dieser Widerspruch scheint bezeichnend für das Aufwachsen von Vera Tal in einer vermeintlichen Normalität, in der sich – wie sie es ausdrückt – das ganze Leben um das KZ gedreht hat.

 

Vera Tal wanderte nach ihrer Matura nach Israel aus und studierte in Tel Aviv Hebräische Philologie und Literaturwissenschaft. Sie arbeitete als Lehrerin und Bibliothekarin an einer Mittelschule und war anschließend Lektorin an der Universität in Be'er Scheva. Vera Tal ist Mutter von zwei Kindern und lebt im Kibbuz Magen.

Dem Video, welches 2021 für die Sammlung MenschenLeben mit Vera Tal geführt wurde, liegt ein besonderes Interviewsetting zu Grunde: Während der Historiker Albert Lichtblau das Interview von Salzburg aus online per Zoom führte, wurde Frau Tal zeitgleich vor Ort in ihrem Haus in Israel gefilmt. Als Kameramann und zweiter Interviewer fungierte Arije-Aike de Haas, Koordinator der Austrian Heritage Collection am Leo Baeck Institute, mit Unterstützung von Otto Dorfer vom Verein Österreichischer Gedenkdienst.

 

Johanna Zechner, Michael Maier
Vollständiges Audiointerview mit Vera Tal

Österreichische Mediathek, Sammlung MenschenLeben, Interview mit Vera Tal, 07.07.2021
Interviewer: Albert Lichtblau (Österreich) und Arije-Aike de Haas (Israel), Kamera: Arije-Aike de Haas (Israel), Begleitung: Otto Dorfer (Israel), Kibbuz Magen (Israel) / Salzburg, 07.07.2021
Das Interview entstand im Rahmen einer Kooperation der Sammlung MenschenLeben mit dem Verein für Erinnerungskultur zur Geschichte der NS-Zeit in Österreich sowie in Zusammenarbeit mit dem Leo Baeck Institute, Jerusalem.

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