Schuhe von ermordeten Juden, am Präbichl, 1945

Schuhe von Juden, die auf dem Todesmarsch 1945 am Präbichl ermordet wurden
Museum im Alten Rathaus, Eisenerz, Inventarnr.: 02463_BK und 02465_BK
Foto: Thomas Caks

Ein Massaker in einem Wald am Präbichl in der Obersteiermark während des Zweiten Weltkriegs: Viele Jahre lang wurde es verschwiegen. Doch nun ist das Schweigen gebrochen, und diese Schuhe sind ein Symbol dafür.

 

Ende 1944, der Zweite Weltkrieg: Zehntausende Jüdinnen und Juden aus Ungarn sollten als Zwangsarbeiter*innen an der österreichisch-ungarischen Grenze einen Teil des Südostwalls – eine Verteidigungsanlage gegen die sowjetische Armee – errichten. Als die Sowjets im März 1945 näher rückten, erging der Befehl, diese Zwangsarbeiter*innen zu Fuß durch die Steiermark bis in das 130 Kilometer entfernte Konzentrationslager Mauthausen zu treiben. Am 7. April erreichte eine Marschkolonne mit rund 4.500 Menschen den Gebirgspass Präbichl, wo eine Volkssturmeinheit aus Eisenerz die Bewachung übernahm. Sie feuerte auf der Passhöhe gegen 16 Uhr wahllos auf die Zwangsarbeiter*innen. Rund 250 Jüdinnen und Juden wurden ermordet.

 

Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs spielte der fünfjährige Alfons Angerer im Wald in der Nähe der Präbichlstraße bei der Bahnüberführung in Richtung Eisenerz. Dort fand er Reste von Kleidung sowie zerschlissene Lederschuhe und erzählte seinem Großvater davon. Dieser meinte, er könne die Nägel, mit denen die Sohle stabilisiert wurde, brauchen. Doch als sein Enkel die Schuhe holte, rührte der Großvater diese nie an. Später erzählte er ihm vom Massaker – und, dass an dieser Stelle, an der Alfons Angerer die Schuhe gefunden hatte, seinerzeit das Maschinengewehr gestanden war, mit dem so viele Menschen getötet wurden.

 

Im April 1946 wurden 17 Verantwortliche und Handelnde des Massakers vor dem britischen Militärgerichtshof angeklagt. Im Oktober 1946 folgte eine weitere Gerichtsverhandlung. In beiden Verfahren wurden Todesurteile verhängt. Viele Jahre herrschte Schweigen über das Verbrechen, bis in einem Aufarbeitungsprozess, angeregt durch die ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus, dieses Kapitel des Präbichls behandelt wurde. 

 

2004 wurde ein Mahnmal eingeweiht, das an die ermordeten ungarischen Jüdinnen und Juden erinnert. Gerhard Niederhofer, der Obmann des Vereins zur Förderung des Stadtmuseums Eisenerz, suchte außerdem nach Zeitzeug*innen. So lernte er Alfons Angerer kennen. Dieser zeigte ihm eine Holzkiste, in der er die zerschlissenen Lederschuhe, die er als Kind am Präbichl gefunden hatte, aufbewahrte. Heute erinnern sie – zusammen mit vielen anderen Aktivitäten – im Stadtmuseum Eisenerz an diesen Todesmarsch. Das Schweigen ist endgültig gebrochen.

 

Gerhard Niederhofer

Museum im Alten Rathaus, Eisenerz

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