Seite aus dem Notizbuch von Hans Maršálek, 1943

Seite aus dem Notizbuch von Hans Maršálek, 1943
Bleistiftzeichnungen, Außeneinband Karton, Papier, 20 x 13 cm
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Akt 715
Foto: Christoph Fuchs © DÖW 

Hans Maršálek wurde 1914 in Wien-Hernals geboren. Er schloss sich bereits 1936 mit dem Beitritt zur Sozialistischen Arbeiterjugend dem Widerstand gegen den Austrofaschismus an. Nach seiner Einberufung zur Deutschen Wehrmacht 1938 flüchtete Maršálek nach Prag, war an der Fluchthilfe über die Grenze zu Polen und an der Vorbereitung von Sabotageakten beteiligt. Er hatte Verbindung zu einer großen kommunistischen Widerstandsgruppe Wiener Tschech*innen und wurde 1941 verhaftet, an die Gestapo Wien überstellt und in das Konzentrationslager Mauthausen deportiert. Im KZ Mauthausen musste er zunächst im Steinbruchkommando und im Holzfällerkommando arbeiten, ehe er ab 1943 zum Schreiber in der Lagerschreibstube wurde. Maršálek gehörte einer Widerstandsgruppe an, die sich ab dem Herbst 1943 unter den politischen Häftlingen des Lagers Mauthausen bildete. Ihr Ziel war es, die Funktionen der Lagerselbstverwaltung zu besetzen, um so die Überlebenschancen der Mitglieder zu erhöhen, was auch gelang. Seine Position als Lagerschreiber konnte Maršálek in vielen Fällen nützen, um Mithäftlingen zu helfen.

 

Nach dem Krieg war Maršálek ein wichtiger Zeuge im Dachauer Mauthausen-Prozess (1946) und arbeitete bei der Staatspolizei. Das österreichische Innenministerium betraute ihn ab 1963 mit einer Ausstellung in der Gedenkstätte Mauthausen, für deren Pflege und Aufbau er sich seit 1947 engagiert hatte. Maršálek war maßgeblich an der Gründung der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen und des Comité International de Mauthausen beteiligt. Schließlich war er bis zur seiner Pensionierung 1976 Leiter der Gedenkstätte und des Museums Mauthausen und schrieb die erste grundlegende Darstellung über das KZ Mauthausen und seine Außenlager. Er starb 2011 im Alter von 97 Jahren. 

 

Die Zeichnungen Köpfe des Verwaltungspersonals und Revier-Schreiber Eduard und sein Traum stammen aus dem Jahr 1943. Maršálek zeichnete sie in ein kleines schwarzes Notizbuch, das er gut verstecken konnte. Die Abgebildeten waren sogenannte Funktionshäftlinge, die Maršálek als „Lagerprominenz“ bezeichnete, da sie inmitten der Gesellschaft des Terrors größere Freiheiten als ihre Mitgefangenen hatten und diese unterschiedlich wahrnahmen. Manche waren, wie der ebenfalls abgebildete berüchtigte Block- und Lagerälteste Franz Unek, tief in die Verbrechen der SS verstrickt. Andere verwendeten ihre höhere Stellung für den Konsum von Alkohol oder sonstigen raren Gütern und galten den meisten Häftlingen daher als „privilegiert“. Nur wenige, wie Maršálek selbst, nutzten ihre Position zur Hilfe für andere. 

 

An seine Zeichnungen erinnerte sich Hans Maršálek 2002 in einem Interview mit Karin Stögner wie folgt: 

Im Dokumentationsarchiv gibt es eine Zeichnung von mir, wo drei Köpfe aufscheinen. Ein Kopf mit einem Häftling, […] Blockältester zwei, der wurde von den Häftlingen Pferdekopf” genannt. Den habe ich gezeichnet. Dann habe ich den Franz Unek gezeichnet, und dann habe ich den Eduard Schlemming gezeichnet. Das war einer, der erst später gekommen ist, im Jahre, Ende ‘43 oder ‘44, ich glaube ‘43, und war ein Wiener. Und hat immer so gerne gesprochen darüber, wie schön das wäre, wenn er wieder ein Achterl Wein trinken könnte und gut essen könnte, und so weiter, und da habe ich ihn gezeichnet auch, und auf der Nasenspitze, habe ich ihm ein Weinglas tanzen lassen

 

Hans Maršáleks Zeichnungen können als künstlerische Selbstbehauptung und Gegenerzählung in der sogenannten Häftlingsgesellschaft gegen den SS-Terror angesehen werden und gehören zu den aussagekräftigsten Zeugnissen satirischer Kunst aus den Konzentrationslagern.

 

Andreas Kranebitter, Ursula Schwarz

DÖW - Objekt des Monats

Postkarte Notizbuch von Hans Maršálek

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