Koffer von Stanisław Pawlak

Koffer von Stanisław Pawlak, 1940er Jahre
80 x 45 x 20 cm, Pappe
Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim, Schenkung der Enkelin
Foto: Peter Eigelsberger 

Seine letzte Reise machte der Koffer am 15. November 2021 von Budapest nach Hartheim. Izabella Darska Havasi, die Enkelin von Stanisław Pawlak, brachte ihn zusammen mit einer Gedenktafel und einigen Dokumenten als Schenkung an die Dokumentationsstelle Hartheim. 80 Jahre nach dem Mord an ihrem Großvater in Hartheim war sie dankbar, einen würdevollen Platz für diese Erinnerungsobjekte gefunden zu haben.

 

Izabella lernte ihren Großvater nie kennen. Sie kam fünf Jahre nach dessen Tod zu Welt. Das wenige, das sie weiß, hatte ihr die Großmutter erzählt. Stanisław Pawlak wurde am 17. April 1900 im polnischen Kamienice geboren. Er war mit Maria Gitler (1905–1969) verheiratet. Stanisław Pawlak arbeitete als Beamter im Rathaus der Stadt Koło. Eines Nachts wurde er zu Hause verhaftet. Nach der Einschätzung seiner Frau wollte er nicht mit den Nationalsozialisten kooperieren und wurde deshalb festgenommen. Sie packte eilig seinen Koffer und steckte ihm etwas Geld zu. Maria sollte ihren Mann nie wieder sehen. Sie hatten zwei Töchter Zofia und Jadwiga (1932–1989). Zofia Darska (1925–1954) heiratete und zog nach Budapest. Izabella (geb. 1946) war ihr einziges Kind.

 

Stanisław Pawlak wurde 1940 ins KZ Dachau deportiert und war danach ab 2. August 1940 im KZ Mauthausen inhaftiert. Am 19. August 1941 wurde er in die Tötungsanstalt Hartheim transportiert und dort – wie weitere etwa 5.000 Gefangene aus den KZ Mauthausen und Gusen – ermordet.

Ein Bekannter der Familie, der das KZ Mauthausen überlebte, gelangte nach der Befreiung an den Koffer und brachte ihn zu der Witwe Maria nach Polen. Er berichtete von Erfrierungen an Stanisław Pawlaks Beinen, die sich später entzündet hätten, und von Eiterungen bis zum Knochen. Dies hätte ihn arbeitsunfähig gemacht, was auch der Grund für die Ermordung in Schloss Hartheim gewesen wäre.

 

Für die Familie Pawlaks wurde der Koffer zur Reliquie. Er wurde bei Übersiedelungen stets mitgenommen, und so gelangte er von Koło über Puszczykowo nach Poznań in Polen. 1974 kam er nach Budapest in Ungarn. Izabella dachte oft darüber nach, den beschädigten und löchrigen Koffer zu entsorgen, brachte es aber nicht übers Herz. So zog er auch mit ihr weiter von Wohnort zu Wohnort, bis zu seiner letzten Reise nach Hartheim.

 

Izabella Darska Havasi besuchte die KZ-Gedenkstätte Mauthausen und im November 2021 erstmals den Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim. Sie kam allein, ihr Mann war bereits gestorben und die Ehe blieb kinderlos. Es war ein sehr aufwühlender Besuch, und es fiel ihr nicht leicht, den Koffer loszulassen. Die Biografie ihres Großvaters schrieb sie für den Virtuellen Raum der Namen und ergänzte den Bericht mit Fotografien und der Sterbeurkunde vom 7. Oktober 1941.

 

Izabella freut sich, dass die Geschichte des Koffers Teil des Projekts Liberation, Objects! ist. Wir bedanken uns für ihr Vertrauen und halten die Erinnerung an Stanisław Pawlak in Ehren.

 

 

Peter Eigelsberger

Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim

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