Kursbuch für Gefangenenwagen 1944, mit der Zugverbindung Wien – KZ Mauthausen
22,4 x 15,4 x 1,5 cm, Papier, 209 Seiten
SÜDBAHN Museum, Museumsverein Freunde der Südbahn, SBM/000915
Foto: Thomas Caks HD Drohne, zur Verfügung gestellt vom UMJ/Museumsforum Steiermark
Das Kursbuch für Gefangenenwagen wurde 1944 von der Deutschen Reichsbahn herausgegeben. Darin sind sämtliche regulären Zugverbindungen zum Zwecke des Transportes von Gefangenen im Deutschen Reich angeführt.
Die militärische Bedeutung von Eisenbahnen war von Beginn an gegeben, veränderte sich jedoch im Laufe der Zeit. So waren die ersten Eisenbahnen noch primär aus Handelsinteressen errichtet worden und folgten gleichzeitig auch den militärstrategischen Richtungen. Bereits ab den 1860er-Jahren wurde der Eisenbahnbau in die Strategien der Armeen eingebunden. Besonders im Zweiten Weltkrieg wurde die Eisenbahn entsprechend von den NS-Machthabern instrumentalisiert. Mensch und Material wurde an die Fronten der jeweiligen Feldzüge befördert, während Millionen von Menschen als Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter*innen oder Häftlinge deportiert wurden.
In Zahlen bedeutet dies, mehr als sechs Millionen Menschen wurden deportiert. Davon wurden rund drei Millionen Menschen mit der Eisenbahn befördert. Rund 120.000 Deportierte wurden per Bahn über den Semmering transportiert. Hier, im Bereich der Eisenbahnwerkstätten – auf dem heutigen Areal des SÜBAHN Museums – waren Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter zugeteilt. Das ist aus einer Arbeiterliste von 1944 ersichtlich.
Im Kursbuch von 1944 finden sich die Zugverbindungen zu den Konzentrationslagern Mauthausen und Auschwitz ebenso wie auch jene mit Halt in Mürzzuschlag. In Mürzzuschlag war ein Arbeitslager bei der Lokomotiv-Werkstatt. Die Gefangenenwagen nach Mauthausen unter den Nummern 83 und 83a fuhren in Wien vom Franz-Josefs-Bahnhof ab. Die Verkehrstage für den Zuführungsbahnhof für Gefangenenlager Mauthausen waren Freitag (Ankunft 13:32 Uhr) und am Sonnabend (Ankunft 19:56). Weiters wurden als Haltestellen für die Deportationszüge die Bahnhöfe der Strafanstalt Stein (Krems an der Donau), der Strafanstalt Garten und des Landesgerichts Steyr (St. Valentin) und des Arbeitshauses Suben (Attnang-Puchheim) in der Spalte Bemerkung vermerkt.
Auch wenn keine exakte Zahl vorliegt, kann angenommen werden, dass die Mehrheit der Deportierten mit der Eisenbahn ins KZ Mauthausen gebracht wurden. In den letzten Kriegsmonaten erfolgten diese Transporte unter besonders menschenunwürdigen Bedingungen – nicht mehr in eigens vorgesehenen „Gefangenenwagen“, sondern in oft überfüllten Güter- oder Viehwaggons.
Der Überlebende Mieczysław Staner beschrieb die Bedingungen folgendermaßen:
Ende Frühjahr 1944 begann man mit der Auflösung von (dem KZ) Plaszow. Erst wurden alle Frauen nach Auschwitz transportiert und zwei Tage später war ich mit meinem Vater in dem Transport nach Mauthausen. Wir fuhren drei Tage und drei Nächte dorthin. In den Güterwaggons eingepfercht wie Kälber mussten wir stehend unter uns hinmachen. Gestank. Wir fuhren ohne Wasser. Die Menschen starben in den Waggons, stehend, von den anderen aufrecht gehalten. Es war nicht mal Platz, sie irgendwo hinzulegen.
Kerstin Ogris