Feldflasche aus dem Ersten Weltkrieg

Feldflasche aus dem Ersten Weltkrieg, aufgefunden in einem Massengrab 
vom April 1945 in St. Florian/Linz, 1990
15 x 11 cm, Metall, Schenkung H. Trauttenberg
Haus der Geschichte Österreich, Inventarnummer 701
Foto: Markus Guschelbauer/hdgö, CC BY-NC 4.0 

Befreiung 1945 – Offenes Ende, brüchige Zukunft ist der Titel einer Schwerpunktsetzung in der Hauptausstellung im Haus der Geschichte Österreich anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung Europas vom NS-Terror und der Gründung der Zweiten Republik. Ausgewählte Objekte und Biografien beleuchten die vielfältigen, aber auch begrenzten Handlungsmöglichkeiten, die den Menschen in der letzten Kriegsphase offenstanden. Auch eine metallene Feldflasche findet sich in einer Vitrine. Neben ihr liegt ein Foto von einem sonnendurchfluteten Waldstück in Gunskirchen – eine idyllische Szene, die jedoch trügt. Diese Feldflasche wurde in den 1990er-Jahren in St. Florian bei Linz entdeckt – von Soldaten der vierten Panzergrenadierbrigade des österreichischen Bundesheeres bei der Instandsetzung von Kriegsgräbern in Zusammenarbeit mit dem Verein Österreichisches Schwarzes Kreuz. Dabei stieß man nicht nur auf die Feldflasche, sondern auch auf eine doppelte Verdrängung: Zum einen die Eskalation der Gewalt und die Endphaseverbrechen zu Kriegsende, zum anderen das Ringen um die Erinnerung an die jüdischen Opfer des Massakers in der Zweiten Republik. 

 

Zum historischen Hintergrund: Während Wien am 13. April 1945 von Soldaten der Roten Armee von der NS-Herrschaft befreit wurde, tobte in Oberösterreich noch der NS-Terror: August Eigruber, Gauleiter von Oberdonau, ordnete noch Ende April die Vergasung von politischen Gefangenen im KZ Mauthausen an. Da dieses komplett überfüllt war, hatte man in den letzten Kriegswochen Kolonnen von ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter*innen ins KZ-Außenlager Gunskirchen getrieben. Seit Herbst 1944 hatten sie beim Südostwall im heutigen Burgenland Grabungsarbeiten verrichten müssen, bevor sie Ende März 1945 nach Mauthausen verschleppt wurden. Viele starben an Erschöpfung und Unterernährung. Wer zu schwach war, wurde erschossen. Trinkgefäße, wie diese Feldflasche, hatten einzelne Jüdinnen und Juden vorsorglich eingepackt, doch das Trinken war ihnen von ihren Peinigern oft nicht erlaubt. Das unfassbare Leid konnte von der Zivilbevölkerung nicht übersehen werden: Überlebende berichteten von einzelnen couragierten Personen, die den Zwangsarbeiter*innen Schutz gewährten, sie versteckten oder ihnen Nahrhaftes zusteckten. Mehr als 23.000 Menschen, eskortiert von SS-Männern, Volkssturm und lokaler Hitler-Jugend, kamen auf diesen Todesmärschen vom Südostwall in Richtung Gunskirchen ums Leben. Allein in dem Massengrab in St. Florian bei Linz wurden 99 Personen begraben. 

 

Einem Artikel in der Zeitschrift Der jüdische Weg zufolge hatte der sich so bezeichnende Jüdische KZ-Verband anlässlich des zweiten Jahrestages der Befreiung des KZ Mauthausen am 5. Mai 1947 bei einem Massengrab am Ortsrand ein Denkmal errichtet, um an die ermordeten jüdischen Zwangsarbeiter*innen zu erinnern. Die Inschrift war in Deutsch und in Hebräisch. Doch noch im selben Jahr wurde dieser Stein vom Schwarzen Kreuz entfernt, das daraufhin einen neuen Gedenkstein aufstellte. Dieser löschte mit der neuen, einsprachigen Inschrift 99 Opfer des Zweiten Weltkriegs die Erinnerung an die Jüdinnen und Juden aus. Es konnte der Eindruck entstehen, es handle sich um eine Grabstelle von Wehrmachtssoldaten. Arisierung eines jüdischen KZ-Friedhofes nannte der Jüdische KZ-Verband diese Verdrängung der Erinnerung an die jüdischen Opfer, die immer noch anhält. Denn auch heute noch blendet die Inschrift der Gedenktafel beim Massengrab in St. Florian der jüdische Hintergrund der dort Begrabenen aus, wenn es heißt: Hier ruhen 99 KZ Häftlinge. Ehret das Andenken dieser Opfer des Todesmarsches im April 1945. Vielleicht wäre es möglich, spätestens bis zum 80. Jahrestag der Anbringung der ersten Inschrift den Text in Hebräisch wieder zu ergänzen. 

 

Monika Sommer

Haus der Geschichte Österreich
 

Postkarte Feldflasche aus dem jüdischen Massengrab St. Florian

  • Postkarte Feldflasche
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