Chanukka-Leuchter von Saul Hutterer
23 x 29 x 6 cm, Silberblech, vergoldet, 2. Hälfte 19. Jahrhundert
Jüdisches Museum Hohenems, R 132
Als der 25-jährige Saul Hutterer (1920–2007) im April 1945 die Befreiung der Linzer Hermann-Göring-Werke erlebte, wog er nur noch 37 Kilogramm. Das dortige Lager Linz III war ein Außenlager des KZ Mauthausen, wohin Hutterer am 10. August 1944 überstellt wurde. Zuvor war er seit 1942 im südlich von Krakau gelegenen KZ Płaszów inhaftiert. Ursprünglich stammte Hutterer aus Oświęcim, jenem Ort, in dem die SS nach der nationalsozialistischen Besetzung Polens ab 1940 unter dem deutschen Namen Auschwitz das größte Konzentrations- und Vernichtungslager errichtete. Bis zu 1,5 Millionen Menschen wurden alleine in Auschwitz-Birkenau bis 1945 ermordet.
Im September 2006 berichtete Saul Hutterer dem Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, Hanno Loewy, in Antwerpen von seinem Leben nach der Befreiung. So erzählte er etwa von den tausenden Überlebenden, die sich in Linz versammelt hatten, um wenige Wochen nach der Befreiung gemeinsam über italienische Häfen nach Palästina zu gelangen. Hutterer kam bis nach Modena, wo er den Sommer über mit vielen anderen einen Schlafplatz in der Synagoge fand. Die Mittelmeerküste war noch weit entfernt und die Sommerhitze brütend, weshalb Hutterer mit einer kleineren Gruppe beschloss, nach Österreich zurückzufahren, um von dort in die Schweiz zu gelangen. Am 23. Oktober 1945 erreichten sie Bregenz und trafen dort auf einen Rabbiner, der mit den französischen Besatzern nach Vorarlberg gekommen war. Daraufhin änderte sich Hutterers Plan abermals und er zog nach Hohenems, in eine alte jüdische Stadt, wie ihm Rabbiner Monheit versichert hatte. Die Alliierten hatten in Hohenems, wo zuvor ab 1617 eine jüdische Gemeinde bestand, einen Teil der ehemaligen jüdischen Wohnhäuser beschlagnahmt. Darin ließen sich nun KZ-Überlebende nieder, die von den Alliierten auch als Displaced Persons (DPs) bezeichnet wurden. Die meisten der insgesamt mehr als 1.000 DPs in Vorarlberg stammten aus jüdisch-orthodoxen Gemeinden in Polen, Ungarn, Rumänien oder der Tschechoslowakei.
1946 gründete diese, in ihrer Gesamtzahl fluktuierende, Gruppe ein Komitee, das ihre Interessen vertreten sollte. Die Communauté Israélite Hohenems (Jüdische Gemeinde Hohenems) versuchte, jüdisches Leben in Hohenems neu zu etablieren. Unter dem gewählten Vorsitzenden Saul Hutterer entstand bald eine vollständige Infrastruktur, bestehend aus einer Gemeinschaftsküche, Schulen und Beträumen. Ritualgegenstände waren schwierig zu bekommen, erst nach drei Jahren erhielt die Überlebendengemeinde eine Tora-Rolle. 1948 wurde ihre erstmalige Verwendung mit einem großen Fest gefeiert. Vermutlich ein Jahr zuvor hatte Hutterer die heute im Jüdischen Museum Hohenems ausgestellte Chanukkia gekauft. Dieser bescheidene, durch intensiven Gebrauch abgenutzte, Chanukka-Leuchter stammt vermutlich aus einem jüdischen Haushalt der ehemaligen, 1940 zwangsaufgelösten, Hohenemser jüdischen Gemeinde. Wie er in den Besitz des christlichen Verkäufers gelangte, ist nicht überliefert.
Anfang der 1950er-Jahre verließ Saul Hutterer Hohenems und kam über Zwischenstationen in der Schweiz und in Wien schließlich nach Antwerpen, wo er über 50 Jahre lang lebte. Dort starb er 2007. Zuvor hatte er die Chanukkia noch dem Jüdischen Museum Hohenems übergeben.
Raphael Einetter
Saul Hutterer spielt Geige in Hohenems, um 1947
Jüdisches Museum Hohenems, f-dis-1