Fotografie der Häftlinge des Arbeitskommandos "Poschacher", 18. Mai 1945

Fotografie der Häftlinge des Arbeitskommandos Poschacher, 18. Mai 1945
Originalfotografie mit Beschriftung auf der Rückseite, 16,6 x 12,7 cm
perspektive mauthausen, Nachlass Anna Pointner
Fotograf unbekannt

Die Fotografie stammt aus dem Nachlass von Anna Pointner, geb. Langwieser (1900–1991). Die Mauthausenerin stammte aus einer Arbeiterfamilie und lernte früh die schwierigen Lebensverhältnisse im ländlichen Arbeitermilieu kennen. 1920 heiratete sie den Eisenbahner Michael Pointner, beide traten der Sozialdemokratischen Partei bei. Anna engagierte sich bei den Kinderfreunden und setzte sich im Gemeindeausschuss für soziale Anliegen ein.

 

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich wurde Michael Pointner am Bahnhof Mauthausen Zeuge der zunehmenden KZ-Transporte. 1942 ließ der NS-Bürgermeister von Mauthausen ein Kind der Familie Pointner in die berüchtigte Landes Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart in Linz einweisen. Anna Pointner erkämpfte die Entlassung ihres Kindes in häusliche Pflege und rettete damit sein Leben.

 

Aus tief empfundener Gegnerschaft zum Nationalsozialismus suchte Anna Pointner den Kontakt zu den 40 bis 50 jugendlichen spanischen KZ-Häftlingen, die täglich an ihrem Haus vorbei zur Arbeit in den Heinrichsbruch gingen. Diese bildeten das sogenannte Poschacher-Kommando, sie wurden bei der Firma Poschacher zu Steinmetzen ausgebildet. Im Oktober 1944 erhielten die Jugendlichen Zivilkleidung und konnten an ihrem Arbeitsplatz übernachten. Von da an trafen sich die Spanier häufig bei Frau Pointner. Sie durften im Radio spanische und französische Nachrichten abhören. Zwei weitere spanische KZ-Häftlinge, die bei einem örtlichen Transportunternehmer Fuhren für die SS durchführten, schmuggelten kurze schriftliche Berichte ins KZ.

 

Kurz bevor 1945 das Poschacher-Kommando aufgelöst werden sollte, brachte Jacinto Cortés eine Schachtel zu Frau Pointner und bat sie, diese bis Kriegsende zu verstecken. In dieser befanden sich zahlreiche Negative aus dem Fotolabor der SS, in dem die spanischen Häftlinge Francisco Boix (1920–1951) und Antonio Garcia arbeiteten. Die Negative waren unter Lebensgefahr aus dem KZ geschmuggelt worden. Anna Pointner bewahrte die Schachtel auf, bis die Spanier sie nach der Befreiung des KZs abholten. Die Fotos spielten eine wichtige Rolle bei der Aufklärung der Weltöffentlichkeit über die Verbrechen der Nationalsozialisten und waren wichtige Beweismittel in den Prozessen der Nachkriegszeit.

 

Die ehemaligen spanischen Häftlinge blieben zeitlebens mit Anna Pointner in Kontakt, schrieben Briefe und besuchten sie bei den jährlichen Befreiungsfeiern. Die Fotografie der acht befreiten Überlebenden vor dem Plakat mit der Aufschrift Die Gruppe Poschacher grüßt das erste Plenum der Kommunistischen Partei Spaniens (P.C. de E.) im Konzentrationslager Mauthausen (K.L.M.) ist auf der Rückseite auf den 18. Mai 1945 datiert und mit den folgenden Worten Anna Pointner gewidmet: 

An unsere liebe Mami: A nuestra querida mami con todo nuestros afectos en prueba de nuestro cariño

(„An unsere liebe Mama mit all unserer Zuneigung als Zeichen unserer Liebe“)

 

Es unterschrieben: José Alcubierre, Jésus Grau, Manuel Cortés, Jacinto Cortés, Pedro Sánchez, Luis García, Ramón Mila und Juan Pedrol.

 

Nach dem Krieg engagierte sich Anna Pointner wieder in der Gemeindepolitik. Eine Reihe von Auszeichnungen der Gemeinde, der SPÖ und der spanischen Amical de Mauthausen würdigten ihre Leistungen. Durch zahlreiche Medienberichte und Filme ist Anna Pointner in Spanien bis heute bekannt. Anna Pointner starb am 12. November 1991. Am 9. Mai 2015 wurde auf Initiative der perspektive mauthausen vor dem ehemaligen Wohnhaus von Anna Pointner ein Denkmal enthüllt.

 

 

Franz Pötscher

perspektive mauthausen

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